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49 Das neue Frankreich und das alte Deutschland

Das flächendeckende Überwachen von Kirchen und Friedhöfen in Frankreich wird in den linksgrünen und kirchenaffinen Kreisen Deutschlands höchst vermutlich als gallikanischer Exotismus wahrgenommen. („Das kommt davon, wenn man in Afrika Kolonien anhäuft und gegen Algerien über lange Jahre einen Anti-Befreiungskrieg führt.“)  Und außerdem ist Macron unbeliebt, er führt zu scharfe Worte im Munde herum. Das kann uns mit Merkel nicht passieren, deren Worte konnten noch jedes Problem auf ein „Wir schaffen das – Placebo“ entspannen. Ein deutsches Credo, das den Meinungsgeist aller Journalisten, Sender und „Medien“ zwischen Allgäu und Hinterpommern realistisch abbilden dürfte: Aller jener nämlich, die den ausgesprochenen oder unausgesprochenen Direktiven der Berliner Haltungs-Demokratie bewußt oder unbewußt zu folgen gewohnt sind. (Auch eine zur Erde gekrümmte Haltung ist eine Haltung.)

Klügere Souffleure des Zeitgeistes melden Betrübliches, sie erinnern an einen Begriff eines US-Amerikaners (Achtung Trump-Mine!) der trotz scharfer Verurteilung durch europäische Intellektuelle verkünden zu müssen glaubte, der guten neuen Welt nach 1990 stehe ein „clash of civilizations“ bevor. Geschätzte tausend Artikel, Bücher und Interviews haben seine Offenbarung widerlegt, warum jetzt nochmals darüber reden?

Weil orientalische Hals- und Köpfe-Abschneider Frankreich nicht nur in seinen Kirchen und auf seinen Friedhöfen beunruhigen? Handelt es sich dabei um „besorgniserregende Ereignisse“ oder um eine Reaktion auf einen lupenreinen Rassenhaß durch ausländerfeindliche Parteien und Individuen?

Egal, gegen beides hilft ein deutschgründliches Rezept: man entferne Name und Terminus „Rasse“ aus der Verfassung, und schon sind Problem und Problemfolgen gelöst. (Nachträglich wird der Erfinder und Propagandist des Wortes „Rassenhaß“ ausgeforscht, angeklagt und verurteilt.) Nie wieder soll dieser Name fallen, nie wieder soll er Deutschland verführen, nie wieder soll er uns das Schwarze für Weiß, das Weiße für Schwarz nehmen lassen.

Nie wieder Hitler, nie wieder Rasse und, nie wieder Rassenhaß. Wenn das keine gründliche Parole ist, was dann? Neiderfüllt und bewundernd schaut Frankreich nach Deutschland. Nicht mehr, weil dieses immer noch Lothringen besitzt, sondern weil es eine EU-Chuzpe besitzt, gegen die jedes Argument immer zu spät kommt.

Seenotrettung in und um Lampedusa, um „Flüchtlinge“ aus Tunesien zielsicher nach Nizza zu schaffen, wo der Papst schon einmal mit den Angehörigen von über 8o Dahingefahrenen den Gottesdienst der menschenrechtlich gebotenen Universalverzeihung exekutierte,  – dies kann doch keine Sünde sein, es kann nur eine moderne Variante von „Auferstehung“ sein.

Ist die Verwirrung am größten, kommt immer noch größere Verwirrung nach. Dagegen hilft einzig die EU-Chupze der gerechten Migrantenverteilung und zwar ultimativ: Wenn sonst nichts mehr hilft, was soll sonst noch alternativlos hilfreich sein?

Immer noch schaut Frankreich auf das Volk der Dichter und Denker, welches Frankreich? Das scheint Hamlets Frage zu sein. Und wer schaut jetzt noch auf die Trutzburg EU?

Leo Dorner, November 2020